Früher waren wir Kunden, heute sind wir das Produkt

Grüezi aus Züri – Unbefleckt
6. November 2013
Grüezi aus Züri – Privates
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Früher waren wir Kunden, heute sind wir das Produkt

Interview mit dem Bestseller-Autor Roman Maria Koidl. Koidl war Dozent für Kommunikation und Wissenstransfer und hat zahlreiche Start-up-Unternehmen u. a. im Bereich E-Commerce und digitale Medien gegründet. Neben Büchern zu wirtschaftlichen Themen veröffentlichte er die SPIEGEL-Bestseller »Scheißkerle« und »Blender«. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Koidl als Internetberater von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bekannt. In seinem neuen Buch »WebAttack« beschreibt Roman Maria Koidl, wie wir uns – als digital Naive – Staat und Großkonzernen ausliefern, die längst um das wirtschaftliche Monopol unserer Köpfe kämpfen. Eine Zukunft, die nicht uns selbst, sondern dem »System« gehört. Die Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Snowden haben dazu geführt, dass immer intensiver über Überwachung und das grenzenlose Sammeln von Daten durch Großkonzerne diskutiert wird. Die Amerikaner und die NSA ziehen immer wieder den „Kampf gegen den Terror“ heran, um ihre Vorgehensweise zu rechtfertigen. War der sogenannte „Kampf gegen den Terror“ nur die Spitze einer allgemeinen Wesensveränderung des Staates, wo Nationen sich auflösen und Bürgerrechte nicht mehr gelten, wie vor einigen Jahren der italienische Philosoph Agamben schon festgestellt hatte? Koidl: Genau das ist, wenn ich etwas Persönliches an den Anfang stellen darf, meine Motivation gewesen, dieses Buch zu schreiben. Übrigens auch die Motivation, mich politisch zu engagieren. Das Wesen der digitalen Relvolution ist, dass sie sich größer und rasanter darstellt als jeder andere Umbruch in der Menschheitsgeschichte und zugleich absurderweise die geringste Aufmerksamkeit erfährt. Unsere Mediengesellschaft reagiert auf “äußere Anlässe”. 15 Jahre wird über den neuen Bahnhof in Stuttgart informiert, debattiert, budgetiert. Trocken, administrativ, sachlich und von den Bürgern mit Desinteresse begleitet. Wenn der erste Bagger kommt und im TV den ersten Baum abreißt, verstehen die Menschen und gehen auf die Zinne. Bei der digitalen Revolution stehen wir vor dem Problem, dass starke Bilder derzeit eher benutzt werden, um Ängste zu schüren. Terror, Verbrechen, Risiken: das ist der Dreiklang, mit dem wir stillschweigend einer Aushöhlung unserer Grundrechte zustimmen. Das ist vergleichbar mit dem Marketing, mit dem Versicherungsgesellschaften Berufsunfähigkeits-Policen verkaufen. Das Beispiel hinkt weniger als es auf den ersten Blick den Anschein hat. In beiden Fällen geht es um Kommerzialisierungsstrategien. Anders gesagt, es geht nicht um die öffentliche Sicherheit, den Schutz der Bürger, sondern um ausschließlich wirtschaftliche Vormachtstellungen. Diesem kapitalistischen Imperialismus 2.0 müssen wir eine digitale Bürgerrechtsbewegung entgegen setzen. Wenn man auf der einen Seite die Arbeit von Geheimdiensten wie die NSA betrachtet und auf der anderen Seite sich vergegenwärtigt wie Großkonzerne wie Google, Amazon oder Apple massenweise von Daten speichern, alles an Informationen über Individuen sammeln und daraus sogar Voraussagen für künftige Verhalten und Entscheidungen errechnen, sind das schon „Meta“-Konzepte, die schon einen religiösen Charakter haben? Big Data als die allwissende Instanz? Koidl: Gegenfrage: sehen wir uns angesichts der Unwissenheit und Ignoranz unserer demokratisch gewählten Vertreter zu diesen Themen nicht geradezu schutzlos ausgeliefert? In jeder Mettwurst kontrollieren wir die Inhaltsstoffe, es gibt Auflagen, Verordnungen, sogar die Schriftgröße auf der Verpackung ist definiert. Einen digitalen Verbraucherschutz gibt es nicht. Deswegen herrscht in den Klondikes des digitalen Datamining derzeit “WWW”, wirtschaftlich wilder Westen. Ich fordere dringend ein Ministerium für Internet und Datenschutz. Sie sprechen