Trivialer Inhalt, schlechtes Deutsch, peinliche Selbstbekenntnisse, kurzum ein Bestseller. Sechs Jahre ist es her, dass mal wieder irgendeine Kim-Nova Gräfin von Reinraus bei Harald Schmidt ihr neustes Buch vorstellte. Tenor: ich bin zu blöd zum Parken, auf 200 Seiten ausgebreitet. So schwer kann es kaum sein, auf den Bestseller-Sessel beim alten Zyniker zu gelangen, dachte ich mir und startete einen Selbstversuch. Gerade in jener Woche waren drei junge Damen auf meinem Sofa erschienen, die mir tränenreich erklärten, warum es mal wieder nicht klappt, mit der Suche nach Mr. Right, dem Mann fürs Leben. Der Reiz des Widersprüchlichen ließ mich eine Geschichte, vielleicht sogar ein kleines Phänomen erkennen: gut aussehende, bestens ausgebildete, attraktive junge Frauen wehklagten einem Mann (!), sie fänden einfach keinen seiner Spezies. Schlimmer noch, sie zweifelten daran, dass es überhaupt noch klappen könne, mit dem offenbar Wichtigsten im Leben einer Frau um die 30: einen adäquaten Partner zu einem Eheversprechen zu bewegen. Nach einer kurzen „Alice-Schwarzer-Minute“ wurde mir ganz blümerant, denn die Frauenbewegung bewegt wohl kaum noch, ging es doch in allen Gesprächen immer um die Frage, wie oder wo finde ich den Richtigen, wie halte ich ihn, wie gefalle ich, was mache ich falsch? So lernte ich sie indirekt kennen: die Alle-Zwei-Wochen-Männer, die Bad Boys, die Sadisten, Parallel-Leben-Inhaber, die Betrüger und Beziehungsgestörten, die Muttersöhnchen, Freaks, verheiratete Männer, Sexmuffel und Kuschelhasen, die Nicht-Bereit-Experten, die Komme-gerade-aus-einer-Beziehungs-Typen oder meine-Ehe-ist-die-Hölle-Schwätzer und natürlich die unvermeidlichen Dr-Kimbles-auf-der-Flucht, vor was auch immer. Die Emanzen-Debatte fiel also mangels Relevanz aus, es blieben noch drei Ebenen für meinen Text: die psychologische – warum es aus Sicht der Frauen immer die falschen Kerle sind, die soziologische – warum Männer sich zunehmend der Verantwortung als Väter und Versorger entziehen, respektive nicht erwachsen werden wollen und die gesellschaftliche – warum offenbar immer weniger Männer und Frauen meiner Generation eigene Gefühle haben und stattdessen versuchen, die kollektive Soap Opera, also das Stereotyp des sentimentalen Rosamunde Pilcher Ideals zu leben. Dahinter steckt die Vermutung in unserer Mediengesellschaft sei das Gefühl zur Sentimentalität verkommen und dies könnte einen Nährboden bilden, für Emotionalisierung und Agitation einer auf Bilder fixierten Öffentlichkeit, die möglicherweise schneller entscheidet, als sie denken kann.
Doch zuerst machte ich mich daran, ein Thema aufzugreifen, das für paarungsbereite Frauen um die 30 schmerzhaft die Frage nach dem „warum“ aufwirft. Der Spannungsbogen wird dabei frei Haus geliefert. Denn je attraktiver und gebildeter die Frauen sind, desto größer das Problem. Nicht nur dass die Ansprüche an Mr. Right ins geradezu unermessliche steigen, diese Gruppe glaubt auch, einen quasi „eingebauten“ Anspruch an einen „tollen Kerl“ zu haben und stellt die Suche nach einigen unerfreulichen Fehlversuchen auf dem Beziehungsmarkt viel schneller ein, als weniger attraktive Frauen, wie ein Wiener Soziologieprofessor in Studien immer wieder nachweist. Dabei müssten die sog. „Superweiber“ ihre Bemühungen – aufgrund erschwerter Bedingungen – eigentlich verstärken. Abenteuerlich, wie sehr sich die Geschichten in meinen Befragungen ähnelten, wie gleich die Sprüche der Männer, wie stereotyp die Erlebnisse einer Generation. Im Vorfeld meiner Buchpremiere gestand mir eine Journalistin gar, sie habe Angst gehabt, mich zu treffen, weil sie dachte ich kenne ihren Ex-Freund. Dessen Sätze seien es nämlich wortwörtlich gewesen, die ich in meinem Buch schrieb.
Mir war klar, der Stoff rührt an das Selbstverständnis einer jungen Generation von Frauen, die Gefangen ist, zwischen den tradierten Werten von Großeltern und Eltern, nach einem Haus, einem Mann und zwei Kindern, der politisch korrekten Welt der aufgeklärten, emanzipierten Akademikerin, nach einem selbstbestimmten Leben mit Biokarotten und den verkitschten Sehnsüchten einer medial inszenierten Romantik, die es in dieser Form nie gegeben hat. Das fertige Manuskript ging drei Verlage. Bei Rowohlt erklärte mir – nach Wochen ohne Nachricht – die Sekretärin der Sachbuchleiterin, ihre Chefin habe enorm viel zu tun und sie selbst könne sich nicht vorstellen, dass jemand ein solches Buch lesen möchte. Absage. Bei DroemerKnaur wurde der Text gelesen. Der Verleger beichtet mir in einem sehr persönlichen Gespräch, dass er gar nicht verstünde, worum es eigentlich ginge. Er selbst sei seit dem 19. Lebensjahr verheiratet, habe mehrere Kinder und höre zum ersten Mal von dieser Thematik. Auch diese junge, direkte Sprache sei ihm etwas fremd. Er hoffe, dass er nach „Feuchtgebiete“ nicht abermals einen Bestseller ablehne. Absage. „Ich hoffe, niemand wirft uns vor, wir hätten unsere anale Phase“, sagte Verleger Günter Berg beim Mittagessen zu mir. Er habe noch ein anderes Buch namens „Kinderkacke“ in Vorbereitung, das könnte in der Verlagsvorschau merkwürdig aussehen, aber ansonsten wäre man im Verlag vom Potenzial meines Textes überzeugt und Hoffmann & Campe würde das Manuskript gern sofort von mir erwerben.
„Das Buch hat keinerlei publizistische Relevanz, niemand wird es lesen, kein Mensch kauft so etwas. Denn alles was in dem Buch steht wissen Männer schon und Frauen geht es nichts an“, sagte der Publizist Hajo Schumacher auf der Premiere von „Scheisskerle“ in Berlin. Er sollte der einzige Mann bleiben, der sich äußert. Warum Männer angesichts des Titels keine Position ergreifen, erklärte mir ein Kenner der Verlagsszene: „Männer lesen nicht“. Alles was wir im Buchmarkt drucken, wird zu 80% von Frauen gekauft. Die hingegen äußerten sich seit Erscheinen vielfältig. „Vor Entsetzen hat sich meine Menstruation 8 Tage verschoben“ sagte mir eine der ersten Testleserinnen und meinte das ganz und gar nicht im Scherz. In den über 800 eMails und Zuschriften finden sich auch häufig solche, in denen Frauen sagen: „ich war 20 Jahre verheiratet. Ich habe Ihr Buch die ganze Nacht gelesen, es hat mir die Augen geöffnet. Heute Morgen habe ich meinen Mann/Freund verlassen“. Aber auch mein eigenes Leben hat sich verändert, seit ich auf der Bestsellerliste des SPIEGEL ganz oben stehe. Leute, die mich jahrelang gemieden haben, melden sich grundlos, täglich begrüßen mich mindestens 10 Menschen mit „Hallo, Du Scheißkerl“, ich muss zum 100sten Mal die Frage beantworten, ob es sich um eine Biografie handelt (höhö), andere geben sich als Hobbypsychologen, raunend mit der überraschende Erkenntnis „der schreibt doch über sich selbst“ und einige Frauen halten mein Buch offenbar für die längste Kontaktanzeige der Welt. Letzteres gehört unbestritten zum angenehmeren Teil, auch wenn der Unterhaltungswert manches Mal aus unfreiwilliger Komik besteht. So sendete Rita Rose eine Kontaktanfrage, wollte sich aber mit einem Bild ihrer Person noch zurückhalten und schickte stattdessen ein Bild mit dem lodernden Feuer eines Kamins. Karin (43) schreibt mir – wie geschätzte 50 weitere – in vollem Ernst, sie wollte auch schon immer mal einen Bestseller schreiben, hätte aber weder Idee, noch Text, ob ich helfen könne. Und die 50 jährige Karola, zwei Katzenbilder im Anhang der eMail, früher Karl, preist Ihre Vorzüge auf eigenwillige Art. Sie sei eine „Frau am Stiel“. Es dauerte etwas bis ich begriff. Doch keine Frage, mein Buch richtet sich natürlich an beide Geschlechter und wenn Bedarf besteht, gern auch an jene mittendrin.