Business as Usual
In Sachen Liebe war ja England in den letzten Wochen sehr angesagt. Im Rausch royaler Gefühle fragte eine britische Frauenzeitschrift etwas hinterlistig, ob es denn wohl ein zielführendes Konzept sei, eine Beziehung, wie eine Firma zu führen. Und wer stellt so unromantische Fragen? Natürlich ein Kerl. Es ist ein männliches Bedürfnis, zu rationalisieren, was irrational erscheint, Gefühle zu „managen“ und in jene Welt zu überführen, die Männern vertraut ist: das Geschäft. Denn Liebe kann, wie der Kollege Precht so treffend feststellt, ein ziemlich unordentliches Gefühl sein, insbesondere für Männer. Und so wird das Thema Beziehung und Zweisamkeit in aller Sachlichkeit aufgearbeitet, um endlich einmal Ordnung in den Gefühlsladen zu bringen. Im Grunde ist das Ganze ja nur ein Handel, ein Tausch, ein Deal. Die neue Freundin hat man aus dem Online Supermakt, die „Filter“ dort nach „harten Kriterien“ gesetzt und so vertut sich der ein oder andere schon mal zwischen Auto- und Friendscout im Internetbrowser, „ja, du meine Güte, wenn Du wüsstest, was ich so alles am Hut habe!“. Egal, Autos und Frauen sind eben „Status“. Pit, der alte Schwerenöter faselt zum Beispiel von seiner „Einlaufkatze“. Damit meint er eine geräuschpegelsenkende Schönheit an seiner Seite, wenn er das Restaurant betritt. Und Rainer – der ansonsten ein ganz verbünftiger Kerl ist, bleibt bei seiner Freundin, die er schon lange nicht mehr liebt, „weil es einfach so gut aussieht wenn ich mit ihr irgendwo hingehe“. Doch die geschäftsmäßige Betrachtung von Beziehungen, sie kommt noch schlimmer. Denn der Aufriss, das Anmachen, es wurde von unausgelasteten Koitalmanagern geschäftsmäßig organisiert. „Pick Up Artists“ also Aufrisskünstler nennt sich diese Gruppe, die im Internet rasanten Zulauf hat und in der sich hunderttausende weltweit organisiert haben. In Seminaren, Internetforen und Büchern erklären sogenannte „Alphas“ mit klingenden Pseudonymen wie „KingKoitus“ oder „TheMystery“, mit welchen Techniken und stupide einstudierten Eröffnungssprüchen, Frauen beim ersten Date von minder qualifizierten „Betas“ ins Bett gelabert werden können. Widersetzt sich das Opfer, so kommt es – ganz die alte Verkaufsschule – zur „Einwandbehandlung“, von Profis „freeze out“ gennant. Meine Freundin Finchen wurde neulich in der Berliner Lützowbar drei Mal hintereinander mit dem gleichen, angeblich absolut erfolgsgarantierten „master opener“ angelabert. Der Letzte, der dann die empfohlene Schwachsinnseröffnung „Zahnseide oder elektrische Zahnbürste, was nimmst Du?“ vortrug, war daraufhin tatsächlich dental bedüftig. Die „Pickup Artists“ (PUA) bedienen sich eines pseudo-technisierten Männervokabulars, voller Abkürzungen, um sich dem unbekannten Kriegsgebiet Weiblichkeit, taktisch-stretegisch zu nähern. Das Ganze ist durchaus mit jener Mittelmäßigkeit vergleichbar, wie wir sie täglich im Büro erleben, sogar die kontaktgehemmten Klemmitypen sind die Gleichen. Je weniger Wissen und echte Kenntnis der Materie, desto größer das Bedürfnis, sich selbst scheinbare Bedeutung durch eine hermetische Sprache, einen abgeschlossenen Code zu geben und die selbst erfundenen „Technik“ als Herrschaftswissen erscheinen zu lassen. Das ist in der Bar nicht anders, als in der Kaffeeküche. Die dazu herangezogenen Schriften haben folgerichtig den sprachlichen Charme von Doit yourself Fahrzeugreperaturbüchlein aus den 80er Jahren. Quasi eine Frauenbetriebsanleitung für schaltkreisgestörte Klapskallis, sich endorphin betankt an jede beliebige Frau heranzumachen und zu schrauben, was die Kreidler Florett so hergibt. Abgeleitet wurde die Anmachtechnik aus der professionellen Verkaufsschulung und funktioniert u.a., indem man Körperhaltung, Sprache oder Mimik des Gegenüber „spiegelt“. Mit diesen müden Tricks mittelmäßiger Außendiensttruppen, treten nun tausende kopulierbegeisterter Männer in Bars an und quatschen Frauen voll, mit Sätzen, wie: „würden Sie mit einem Mann etwas trinken gehen, der in einem Zweimannzelt lebt?“. Wer kein Hirn hat, dem bleibt halt nur noch Hirnrissiges. Doch die PUA Szene ist weit weniger harmlos, als diese launigen Zeilen verheißen. Die Grundlage dieser Strategie ist, Frauen gezielt niederzumachen. Einer der „Stars“ der Szene schreibt im Netz: „Im Wesentlichen geht es darum, die Psychologie der Frau gegen sie zu verwenden“. Das sind keine charmanten Ratschläge eines harmlosen Date-Doctors. Vielmehr geht es um eine neue Qualität eines Stellungskrieges, dessen Ausmaß an Frauenfeindlichkeit geschäftsmäßig getrant daher kommt. Bemerkenswert, weil Frauen diesen müden Tricks gern auf den Leim gehen. Es wird dabei jene Reaktion hervorgerufen, die aus dem Erleben mit dem eigenen Vater resultiert: das Einschalten des Suchreflexes nach gegengeschlechtlicher Beantwortung. Folgerichtig können das jene Scheißkerle besonders gut, die schon – wie Papi – ein zutiefst gestörtes Verhältnis zur eigenen Emotionalität haben, aber den aus diesem Mangel geboren Pathos dafür wie aus dem Effeff beherrschen. Und wenn Sie selbst dieser Tage in einer Bar an einen Kerl geraten, der Ihnen den Eindruck vermitteln will, er sei gar kein „Verkäufer“, sondern mache in der Firma nur die Buchhaltung, dann sollten Sie mal fragen, ob es eine Firma für Zahnseide ist.